80 Millionen Jahre alter Regenwald
Pflanzen-Fossilien aus Ägypten geben Aufschluss über die Entstehungsgeschichte von Regenwäldern
Ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern rund um Erstautor Dr. Clément Coiffard von der Freien Universität Berlin und Senckenberg-Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Uhl hat die Entstehungsgeschichte von tropischen Regenwäldern unter die Lupe genommen. In ihrer im Fachjournal „Biogeosciences“ erschienenen Studie kommen die Forschenden anhand fossiler Flora aus Ägypten zu dem Schluss, dass es im nordöstlichen Afrika bereits in der späten Kreidezeit, vor etwa 80 Millionen Jahren, weit ausgedehnte mit heutigen Regenwäldern vergleichbare tropische Waldareale gab.
Ganzjährig grün und feucht, bewohnt von farbenprächtigen Vögeln, eleganten Raubtieren, lange Lianen und Baumgiganten: Heutige Regenwälder zählen zu den artenreichsten und faszinierendsten Lebensräumen unserer Erde. „Zu welcher Zeit der Erdgeschichte sich diese ‚Hotspots der Artenvielfalt ‘entwickelt haben, ist in der Wissenschaft umstritten. Einerseits legen Studien auf der Grundlage moderner Pflanzen nahe, dass es Tropische Regenwälder schon vor 100 Millionen Jahre gab, andererseits wurden bislang keine entsprechende Fossilbelege identifiziert, die älter als etwa 70 Millionen Jahre sind“, erklärt Erstautor der Studie Dr. Clément Coiffard von der Freien Universität Berlin.
Diese Unstimmigkeit in der Wissenschaft wollte das ägyptisch-deutsche Team in seiner aktuellen Studie auflösen. Hierfür untersuchten die Forschenden fossile Blätter, die in den Jahren 1984 und 1987 in der südägyptischen Quseir-Formation gesammelt wurden und heute in den Sammlungen des Museums für Naturkunde Berlin aufbewahrt werden. „Die Sedimente der Quseir-Formation sind gekennzeichnet durch feuchte Lebensräume mit einem tropisch warm-feuchten Klima. Frühere Arbeiten, die sich auf das untersuchte Material konzentrierten, erfassten an diesem Standort 37 fossile Pflanzenarten – unsere aktuelle Untersuchung der 21.361 Fossilbelege führte dagegen zur Identifizierung von 70 unterscheidbare Pflanzentypen: 54 Zweikeimblättrige, 22 Bedecktsamer, elf Einkeimblättrige, vier Farne und ein einzelner Nadelbaum“, erläutert Prof. Dr. Dieter Uhl vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Wir sehen hier demnach sowohl eine große Vielfalt der Flora als auch eine Zusammensetzung der Vegetation, die der heutiger Regenwälder ähnelt – wie beispielsweise fossile Nachweise der Aronstabgewächse, die wir rezent überwiegend in den Tropen finden.“
Auch die vereinzelten Vorkommen von fossiler Holzkohle in den Sedimenten – ein Indiz für Brände in dem Gebiet – seien kein Ausschlusskriterium für das Vorhandensein tropischer Regenwälder, so die Forschenden in ihrer Studie. „Auch aus heutigen Regenwäldern kennen wir Brände. Zudem waren in der Kreidezeit die weltweiten Temperaturen und zeitweise wohl auch der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre deutlich höher als heutzutage, was Feuer begünstigt“, so Ko-Autor Dr. Haytham El-Atfy von der Universität Tübingen und der Mansoura Universität in Ägypten.
Zusammengenommen erfüllen die untersuchten Pflanzenfossilien und die sie umgebenden Sedimente alle Eigenschaften, die auch in heutigen tropischen Regenwäldern zu finden sind: eine vielfältige, tropische Flora, tropisches Klima mit einer Jahresmitteltemperatur von 26 bis 33 Grad Celsius, keine ausgeprägten Jahreszeiten sowie überwiegend feuchte Bedingungen. „Wir gehen daher davon aus, dass es bereits in der Hochphase der Dinosaurier, vor etwa 80 Millionen Jahren, ausgedehnte tropische Regenwälder im nordöstlichen Afrika gab. Mit mindestens 550.000 Quadratkilometern Ausdehnung waren sie in etwa so groß wie zehn Prozent des rezenten Amazonasregenwaldes und 25 Prozent des kongolesischen Regenwaldes“, fasst Dr. Clément Coiffard von der Freien Universität Berlin zusammen.
Publikation: Coiffard, C., El Atfy, H., Renaudie, J., Bussert, R., and Uhl, D.: The emergence of the tropical rainforest biome in the Cretaceous, Biogeosciences, 20, 1145–1154, https://doi.org/10.5194/bg-20-1145-2023, 2023.
Pressemitteilung v. 28.03.23 der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung